Die Gebrauchsanweisung im Wandel

Die Gebrauchsanweisung – Oma war mit weniger zufrieden

Gebrauchsanweisungen schaffen es immer wieder in die Hitlisten der unfreiwillig lustigsten Druckerzeugnisse. Das ist die gerechte Entschädigung für das Kopfzerbrechen, das Sie ihren Lesern einst bereitet haben. Frohen Mutes zur Hand genommen, anschließend wütend zerknüllt, schließlich wieder sorgfältig geglättet, abgeschrieben und ins Netz gestellt, bekommt die nutzlose Gebrauchsanweisung wenigstens einen Unterhaltungswert. Gab es schon immer unbrauchbare Gebrauchsanleitungen? Die Antwort lautet wahrscheinlich „Ja“.

War früher alles besser? – Das Plätteisen

bügeleisen gebrauchsanweisung
Diese Art Bügeleisen kam wahrscheinlich
sogar ganz ohne Gebrauchsanweisung.

Schauen wir uns doch einmal am Beispiel Bügeleisen an, wie Gebrauchsanweisungen früher aussahen und welche Informationen sie beinhalteten. Bügeleisen – Oma sagte Plätteisen – hatten früher eine schwere Stahlplatte am Boden, eine Buchse für die Geräteschnur am hinteren Ende und eine Gebrauchsanweisung, in der darauf hingewiesen wurde, dass das Plätteisen

  • mit der Geräteschnur an eine Steckdose anzuschließen ist,
  • dadurch sehr heiß wird,
  • wenn es zu heiß ist, der Stecker gezogen werden muss, damit es abkühlen kann,
  • wenn es zu kalt ist, der Stecker in die Steckdose zurück muss, damit es wieder heiß wird,
  • immer auf einer nichtbrennbaren Unterlage (umgedrehter Porzellanteller) abzustellen ist, damit nichts anbrennt.

Das war alles. Ein kleiner Zettel mit allen erforderlichen Informationen. Wirklich mit allen?

Oma kam eines Tages mit dem Bügeleisen zu Papa. Es wurde nicht mehr heiß. Papa sollte es reparieren. Er staunte, als er das zusammengeknotete Kabel erblickte. Die Isolierung war schadhaft. Oma hat deshalb die kaputte Stelle herausgeschnitten und die beiden losen Enden mit einem Knoten zusammengefügt. Als Papa das Bügeleisen zurückgab, sagte er, es wäre nicht einfach gewesen, den Fehler zu finden. Aber jetzt funktionierte es wieder. Und eine neue Plättschnur habe er auch gleich noch besorgt.

Eine moderne Gebrauchsanweisung dürfen Sie in gar keinem Fall nur so nach dem gesunden Menschenverstand schreiben. Was für Ärger würden Sie heute bekommen, wenn sich Oma an der pfiffigen Verknüpfung einen elektrischen Schlag einfängt? Niemand konnte Oma den gesunden Menschenverstand streitig machen. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – sie sich auf die Frage, was ein Kilowatt ist, mit der Antwort „zwei Pfund elektrisch“ zufriedengab.

Was fehlte in der Gebrauchsanweisung für das Plätteisen?

1. Der bestimmungsmäßige Gebrauch

Oma hätte sich vor Lachen gebogen, wenn sie in der Gebrauchsanweisung gelesen hätte, dass das Plätteisen zum Glätten von Wäschestücken bestimmt ist und nicht zum Wasserkochen benutzt werden darf.

2. Vor dem Gebrauch Gerät und Kabel auf Mängel prüfen

Ob sich Oma die Zeit genommen hätte, die Liste der möglichen Mängel durchzulesen? Wenn ja, hätte sie sich bestimmt das Lexikon (früher gebräuchliche, analoge Suchmaschine zur Ermittlung von Wortbedeutungen, auf Papier gedruckt) dazu geholt, um die vielen unbekannten Wörter nachzuschlagen.

3. Nur unbeschädigtes Gerät nutzen

Oma hätte sich veralbert gefühlt. Wenn es kaputt ist, bleibt es kalt. Wenn es kalt ist, kann man damit nicht bügeln.

4. Vorsicht Verletzungsgefahr! Alle Metallteile werden im Betrieb sehr heiß und können bei Berührung Verbrennungen verursachen.

Oma hätte sich noch mehr veralbert gefühlt.

5. Vor dem Öffnen des Gerätes zu Reparaturzwecken den Netzstecker ziehen

Oma hätte den Kopf geschüttelt. Die Plättschnur ist sowieso zu kurz, um mit eingestöpseltem Stecker zum Papa zu gehen, wenn er es reparieren soll.

Für Punkt 6. bis 37. der Gebrauchsanweisung hätte Oma keine Zeit mehr gehabt. Sie hätte noch bei Tageslicht den Wäscheberg wegbügeln wollen. Außerdem wäre sie sicher gewesen, dass der Verfasser an ihrem gesunden Menschverstand zweifle, und das hätte sie ihm richtig übel genommen.

Ist jetzt alles besser? – die moderne Gebrauchsanweisung

Beachten Sie bitte, dass moderne Gebrauchsanweisungen drei Aufgaben erfüllen müssen:

  1. Den Nutzer darüber zu informieren, wie das Gerät sicher bedient und gewartet wird.
  2. Den Nutzer auf Gefahren im Umgang mit dem Gerät hinzuweisen.
  3. Den Hersteller vor Schadensersatzansprüchen zu schützen.

Wie Sie eine Gebrauchsanweisung schreiben, ohne Oma allzu sehr zu verärgern, können Sie hier nachlesen. Machen Sie das aber nur dann, wenn Sie für die Aufnahme in die am Anfang genannte Hitliste nicht infrage kommen wollen.

Der Punkt 3 der Aufgaben von Gebrauchsanweisungen ist der Grund für den immensen Umfang, den diese heutzutage oft haben. Die Frage nach dem „DAU“ (dümmsten anzunehmenden Nutzer) hat die Frage nach dem gesunden Menschenverstand nahezu vollständig verdrängt. Schuld daran könnte die Prozessfreudigkeit der Amerikaner sein, die häufig aus Missgeschicken vor Gericht Profit ziehen wollen.

Warum waren Gebrauchsanweisungen früher so kurz?

Oder auch: Warum sind sie heute so lang? Vermutlich spielen neben dem bereits genannten – den Hersteller heute vor Schadensersatzansprüchen zu schützen – zwei weitere Gründe eine Rolle:

  1. Es gab dazu noch keine Vorschriften und Normen, wie zum Beispiel das Produkthaftungsgesetz oder die DIN EN 62079 zum Erstellen von Anleitungen.
  2. Es war ungleich mühsamer, eine Gebrauchsanweisung zu schreiben.

Stellen Sie sich vor, sie würden mit Papier und Bleistift arbeiten, um den Inhalt zu formulieren, die Damen aus der Schreibabteilung müssten alles mit der Schreibmaschine abtippen, Sie müssten Korrektur lesen, für den Druck bräuchten Sie einen Schriftsetzer, danach müssten Sie wieder Korrektur lesen… Wenn Sie einen Fehler gefunden oder etwas Wichtiges vergessen haben… – beenden wir das Trauerspiel an dieser Stelle. Mit dem Computer bewerkstelligen Sie heute ganz alleine im Handumdrehen, was seinerzeit Heerscharen von Leuten tagelang auf Trab gehalten hat.

Die digitale Gebrauchsanweisung

Steckt die Gebrauchsanweisung erst einmal im Computer, hindert Sie nichts mehr daran, diese digital per Datenträger oder Internet auf die Reise zu schicken. Das macht sich bei Computerzubehör sehr gut, denn wer so etwas braucht, hat mit großer Wahrscheinlichkeit einen Computer zur Hand. Geschäftspartnern dürfen Sie ebenfalls unterstellen, damit zu arbeiten. Papier spart das allemal. Die Vorteile einer digitalen Gebrauchsanweisung für Sie und Ihre Kunden, haben wir bereits zusammengefasst.

Es soll allerdings auch heute noch einige Menschen geben, die unbedingt eine auf Papier gedruckte Gebrauchsanweisung haben wollen. Unter Berücksichtigung von Punkt 3 der Aufgaben von Gebrauchsanweisungen, empfehlen wir, diesem Wunsch nachzukommen 😉

Bildquellen: Pexels

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